1991: DAS AUSGERISSENE BEIN
Die Zerstörung der Brücke war für lange Zeit (und weit über Büren hinaus) das beherrschende
Gesprächsthema. Nach dem Brand kehrte in Büren aber nicht etwa Ruhe und Geschlossenheit
ein, sondern es entbrannte ein neues Feuer, nämlich ein (weitgehend) politisch
motivierter Streit zur Form und Gestalt der neuen Brücke. Die Frage der Anzahl Brückenpfeiler
wurde ein Politikum ersten Ranges. Seldwyla liess grüssen. Schliesslich entschied der Kanton
(dem die Brücke auch gehört), dass die Brücke neu vier (vorher fünf) Pfeiler bekam.
Dieses Ereignis wiederum war Ausgangspunkt für die Plakette 1991. Frei nach dem Motto
«äs chunnt ä Bär, wo chunnt är här» wurde Bürens Verhältnis zu seiner Mutter (dem Kanton
Bern) thematisiert und dabei eine interessante geschichtliche Parallele hergestellt: Bern hatte
den Bürern nämlich bereits beim Franzoseneinfall von 1798 die Brücke «weggenommen»:
damals zündete die wachhabende Mannschaft die Holzbrücke von Büren an, um das Städtchen
vor dem Franzoseneinfall zu retten. Soweit kam es damals, weil Bern seine Truppen aus
dem Städtchen abgezogen hatte und die Bürer ihrem Schicksal überliess. Entsprechend hatten
die Bürer während Jahrzehnten ein gespanntes Verhältnis zu Bern. Auf der Plakette 1991
erweckt der Berner Bär zwar den Eindruck, er wolle ein Geschenk bringen. Unklar bleibt aber,
ob er die Brücke tatsächlich bringt oder gar (weg) nimmt. Das Maskengesicht hat jedenfalls
etwas Schlaues, gar Hämisches an sich. Hinter dem Fell steht unzweifelhaft ein Mensch, mit
Bestimmtheit handelt es sich um einen Repräsentanten der politischen Macht. Mit verstohlenem
Blick bricht er aus der Brücke einen Pfeiler heraus. Dass dieses obrigkeitliche Verhalten
für Büren nur schwer akzeptierbar ist, wird auf der Plakette unmissverständlich verdeutlicht:
der Wappenbär (abgebildet auf dem Oberarm der Figur) präsentiert sich selber mit einem
amputierten Bein. Zudem sind der Maske ob diesem Verhalten ein paar Zacken aus der
Krone gefallen. Nur die Zeit fliesst unentwegt wie das Wasser die Aare hinunter. Während
sie durchschritten wird, ist sie bereits vergangen. Was bleibt, sind die nassen Füsse und die
Erkenntnis, dass sich die Fahnen gleichzeitig durchaus nach unterschiedlichen Richtungen
drehen können.